"Weiße Trauer oder unsichtbare Trauer", so wird das genannt, wenn man um jemanden trauert, der lebt, also so noch da ist, aber doch irgendwie nicht, so wie das im Lauf eine Demenzerkrankung oft der Fall ist. Mit meinem Gast Anja Schmidt Ott spreche ich in dieser Folge „Leben. Lieben. Pflegen“ über diese besondere Form der Trauer und weshalb es für Angehörige wichtig ist, zu trauern und was das überhaupt bedeutet. Es geht dabei übrigens nicht darum, immerzu zu weinen.
Herzlich willkommen zu „Leben. Lieben. Pflegen. Der Desideria-Podcast zu Demenz und Familie“. Mein Name ist Peggy Elfmann. Ich bin Journalistin und pflegende Angehörige. Hier im Podcast spreche ich mit meinen Gästen über Themen, die Angehörige und Pflegende beschäftigen. Ich möchte Lösungen für Herausforderungen finden und euch so Wissen und Anregungen für euren Alltag geben.
Mein heutiger Gast ist Anja Schmidt Ott. Anja ist Coach bei Desideria. Sie gibt Seminare für Angehörige von Menschen mit Demenz. Und Anja ist auch Trauerbegleiterin und leitet Trauergruppen.
Ich freue mich sehr, dass du heute zu Gast bist, liebe Anja!
Dankeschön, Peggy, ich freu mich auch.
Trauer wird ja oft mit Tod oder mit Sterben, mit dem wirklichen Verlust von der Person in Verbindung gebracht. Aber auch Angehörige von Menschen mit dem Mensch erleben eine Trauer. Mir war ehrlich gesagt lange gar nicht bewusst, dass das Trauer ist, was ich gefühlt habe. Sondern es hat sich irgendwie merkwürdig angefühlt. Ich war aber irgendwie dachte ich, darfst du doch nicht sein. Wie erlebst du das denn bei anderen Angehörigen von Menschen mit Demenz?
Ja, ganz genau so, wie du das auch beschreibst. Also der Begriff Trauer, der ist ja bei uns dann doch sehr besetzt mit dem Zusammenhang zum Tod. Und ganz viele Angehörige, mit denen ich spreche, sind fast schon erstaunt und dann auch oft erleichtert, wenn sie erfahren, dass das, was sie fühlen, Trauer ist, eine Form von Trauer. Es gibt den Begriff "weiße Trauer" oder andere Trauer. Und wir sprechen auch ganz oft von einer entrechteten Trauer. Also die Umwelt gesteht mir meine Trauer nicht zu. Ich selber vielleicht auch nicht, denn der Mensch, um den ich traure, oder das alles, um was ich traue, ich traue ja auch um unsere gemeinsame Zukunft, um die Vergangenheit, um ein Stück meiner Identität, die der andere verkörpert, das erkenne ich ganz oft nicht als Trauer an. Das zu wissen kann schon eine große Erleichterung sein.
Was ist denn so das ganz besondere Merkmal von dieser weißen Trauer?
Weiße Trauer ist ja etwas, oder die Trauer um jemanden, der an Demenz erkrankt ist, ist ja so ein bisschen hin und her springt. Die Person lebt noch. Das heißt, manchmal habe ich vielleicht auch das Gefühl, ich darf gar nicht trauern, dann gibt es natürlich auch schöne Momente, vielleicht Sachen, die wichtig sind und ganz häufig und das ist etwas, was zur Trauer gehört, was aber vielen Trauern denn egal, ob sie um jemanden Trauern, der noch lebt oder um jemanden, der verstorben ist, gar nicht bewusst ist. Das Erste, was wir oder was wir sehr häufig machen bei einer Trauer ist, dass wir sehr stark ins Funktionieren gehen und dieses funktionieren, ist meistens etwas, da bin ich sehr abgespalten von meinen Gefühlen. Trauernde kommen dann zu mir und sagen, ich kann gar nicht richtig weinen. Und wenn ich jemanden als pflegende Angehörige oder überhaupt als Angehörige betreue oder besuche oder mit jemanden zusammen bin, um jemanden traure, dann bin ich ganz häufig auch sehr stark im Funktionieren, weil ich das ja sein muss, weil ich als pflegende Angehörige den Laden am Laufen halte und Laufen halte und in diesem Funktionieren bin ich ganz oft auch gar nicht mit meinen Gefühlen im Kontakt und will das vielleicht auch gar nicht sein, weil ich ja Angst haben muss und dass, wenn ich mal traurig werde oder in die Trauerfalle oder mich der Trauer hingebe, dass vielleicht nicht mehr den Laden am Laufen halten kann oder selber zusammenbreche. Und ich glaube, das ist auch eine große Sorge, die viele umtreibt. Deshalb ist es natürlich etwas, was wir versuchen, fern zu halten, damit wir gar nicht so sehr von den Gefühlen übermannt werden. Und ich glaube, es ist auch tatsächlich etwas, was uns Gesellschaft nicht nicht zugestanden wird, weil wir denken, Trauer, das ist dann angemessen, wenn jemand verstorben ist. Und dass ich aber hier ganz viele Formen von Trauer erlebe, die Demenz verursacht, das Verschwinden eines Menschen, das Verschwinden meines Du in meinem Gegenüber. Das ist ja etwas, was extreme Trauer und Traurigkeit verursacht.
Und ich glaube, was vielen auch nicht klar ist, wir denken immer, Trauer ist Traurigsein. Und dass Trauer ja auch ganz viele andere Gefühle im Spektrum hat und angefangen von der Wut, von der Schuld, von der Angst, aber vielleicht auch Dankbarkeit, vielleicht auch freudige Erinnerung, vielleicht auch Erleichterung und daran kommt sofort die Schuld wieder, weil ich mich ja eigentlich nicht erleichtert fühlen darf. Ich glaube, das ist auch fehlen, nicht klar. Es wird Trauer sehr oft als traurig sein sehen. Und viele Leute trauen aber gar nicht in dem sie traurig sind, sondern in dem sie sehr wütend sind zum Beispiel. Und das sind ja auch Gefühle, die in der Betreuung von Angehörigen, also die Angehörige von Menschen mit Demenz erleben.
Wir denken ja oft, Trauer hat was mit traurig sein zu tun, aber wie zeigt sich das denn Trauer eben im Alltag von Pflegenden auch?
Wir setzen Trauer, auch bei Trauer und Verstorben, ganz oft mit Traurigkeit gleich, dass da jemand
wirklich intensiv traurig ist. Und das ist ja nur ein Teil davon. In der Regel haben wir ein großes Gefühlsspektrum, wo ganz viel Wut, ganz viel Schuldgefühl, vielleicht auch Scham drin sind, Unsicherheit, Angst, sicherlich auch Freude und Dankbarkeit und so ein ganz großes Mischmasch von sehr, sehr vielen, sehr, sehr intensiven Gefühlen, die gar nicht alle Traurigkeit sind oder die sich auch gar nicht alle so identifizieren lassen.
Und das sind ja aber genau Gefühle, die es total schwer sind, zu zeigen. Also wenn wir jetzt von Wut, von Scham, von diesem Gefühl sprechen, also es fällt uns ja sowieso schwer dieses zu zeigen im Zusammenhang mit Pflege oder Demenz ja sowieso?
Ja, absolut. Und je mehr wir sie unterdrücken, umso mehr preschen sie irgendwann an anderer Stelle wieder nach oben. Einer der Gründe, glaube ich, weshalb es wichtig ist, wieso meinen wir Trauerbegleiter und Trauercoaches jedenfalls, sich der Trauer zu stellen, ist das, wenn man das nicht tut, dann ist das so ein bisschen so wie wenn man eine Badeente unter Wasser drückt oder irgendetwas ein Tischtennisball unter Wasser drücken. Das geht sehr lange sehr gut. Ich drücke ja mit meiner Trauer alle anderen Gefühle gleich mit, denn Trauer und Freude sind ja auch nah beieinander. Und das kann man sehr lange tun und vielleicht mache ich das mit meiner nicht dominanten Hand, mit der linken Hand. In meinem Fall, ich bin Rechtshänderin und ich kann sehr, sehr gut durchs Leben gehen, mit der linken Hand unter Wasser, mit dem Tischtennisball und kann rechts alles machen und irgendwann kommt vielleicht eine Situation, vielleicht verliebe ich mich und möchte hier mal einen Arm nehmen und vergesst das, dass meine linke Hand ja diesen Tischtennisball alle mit allen Gefühlen unter Wasser drückt und ich benutze die linke Hand und dieser Tischtennisball schnell nach oben und da sind alle Gefühle und kein Mensch in meinem Umfeld und ich selber auch nicht bringt das mit meiner Trauer in Verbindung. Das ist zum Beispiel was, was wir bei Kindern und Jugendlichen ganz oft erleben. Oder bei Menschen, die sehr lange funktionieren müssen, weil das Haus abbezahlt werden muss oder weil sie sich um andere kümmern müssen und gar keine Zeit ist, sich der eigenen Trauer zu stellen. Und dann kommt manchmal Jahre später diese Trauer hoch.
Das gilt ja ganz oft für pflegende Angehörige, Also du hast am Anfang gesagt, es geht ganz viel ums Funktionieren. Funktionieren müssen ja auch, um die Pflege meistern zu können.
Genau, es gibt ja verschiedene Trauermodelle. Ich arbeite sehr gerne mit einem, was ich relativ einfach erklären kann und wo ich das Gefühl habe schon, wenn man's einmal verstanden hat, ist es häufig ein Gefühl der Erleichterung. Denn zu mir kommen ja ganz viele Leute, die das Gefühl haben, Sie trauern vielleicht nicht richtig, vielleicht weil Sie sich abgeschnitten fühlen, von Ihren Gefühlen wie in Watte gepackt oder gar nicht richtig weinen können. Und das erste, was ich versuche zu erzählen, ist, dass wir sehen unser Leben immer so linear, es geht so gradlinig von links nach rechts und wenn wir irgendwie durch etwas durch sind, also zum Beispiel die Demenzdiagnose und der Schrecken da drüber und jetzt sind schon ein paar Monate vergangen, dann Und wir sind plötzlich so zurückgeworfen in ein Gefühl der Wut auf die Krankheit oder der massiven Verunsicherung oder so der Schrecken des Anfangs, dann haben wir ganz oft das Gefühl, dass wir irgendwie was falsch machen, dass wir unsere Gefühle nicht richtig im Griff haben oder uns nicht richtig im Griff. Und in der Trauer ist das so, dass die Leute sagen, ich kann auch nicht mehr richtig trauern. Ich war doch schon so viel weiter, weil wir wir eben so gradlinig denken. Und in Wirklichkeit ist es mit der Trauer oder überhaupt mit Veränderungsprozessen und das ist ja bei der Demenz auch so. Ich muss mir das so vorstellen wie ein Labyrinth, was in einem Kreis ist. Also wo ich sozusagen im Kreis laufe und hinter diesem Labyrinth oder darunter gelegt sind, wie so Kuchenstücke mit verschiedenen Farben. Und je nachdem, wo ich diesen Weg entlang gehe, komme ich immer wieder in Stellen vorbei, wo ich denke, da war ich doch schon mal oder das fühlt sich so ähnlich an. Und das ist ganz normal, das ist ein ganz normaler Prozess, dass ich eben auch auf bestimmte Gefühlsebenen oder bestimmte Themen, bestimmte Sachen wieder zurückgerufen werde. Übrigens dann vielleicht auch mein Leben lang. Das werden Menschen kennen, wenn sie um jemanden trauern. Und der kann schon Jahre tot sein und sie können schon sich gut mit der Trauer abgefunden haben oder gut mit ihr leben und plötzlich kommt eine Musik oder ein Geruch oder eine Situation und man fühlt sich total zurückgeworfen und es zieht einem so den Boden unter den Füßen weg. Und es können auch Situationen sein, die viel später auftauchen und zu verstehen, dass das dazugehört, dass das ganz normal ist. Das ist glaube ich ganz wichtig und dass es Teil des Prozesses ist. Dass es nicht nicht heißt, ich bin wieder am Anfang, sondern das heißt, ich bin ein Stück weiter auf mein Weg gegangen.
Ist es denn ein Irrglaube, weil es heißt ja oft, hast du schon deine Trauer überwunden oder jetzt hast du es geschafft? Also können wir das quasi so tatsächlich überwinden? Geht es darum?
Also ich finde, das Wort überwinden, sehr schwierig in diesem Kontext. Das ist ja so, als wäre die Trauer etwas, was ganz furchtbar ist und was weg soll.
So gehen wir damit ja um.
Genau, so gehen wir damit um. Und gleichzeitig ist ja, das ist ja eigentlich so, also wenn man sich ganz doll über etwas freut, dann sagt ja auch keine, jetzt aber mal gut mit der Freude, dein Kind ist doch schon ein halbes Jahr alt, oder jetzt aber mal gut, dass ihr hier so verliebt tut, ihr habt doch schon vor einem Dreiviertel Jahr geheiratet. Wie kannst du dich immer noch darüber freuen? Der Freude gestehen wir zu, dass sie da ist und dass sie Raum hat und die Trauer soll weg, weil sie unangenehm ist und eigentlich aber ist er die Trauer, wenn man genau darauf hinschaut, ist die Trauer ja nicht per se schlechtes, sondern sie ist ein Ausdruck von Liebe, sie ist ein Ausdruck von Verbundenheit, von guten Gedanken, guten Wünschen, von Sehnsucht vielleicht, aber hinter all dem steht Liebe Liebe. Und indem wir die Trauer nicht zulassen und wegdrücken und sagen, die soll weggehen, weil die macht mir keine gute Laune und die macht mir keine guten Gefühle und dieser Weg drücken wir natürlich auch ein Stück unsere Liebe weg. Und sich dem zu stellen oder da bewusst durchzugehen und das zuzulassen. Und ich sage auch ganz klar, wir müssen diesen Weg auch gehen. Das ist nicht etwas, was einfach so mit einem passiert, das ist dann natürlich schon viel wertvoller. Denn dann bleibe ich ja auch im Idealfall mit mir und mit demjenigen, um den ich traure in einem guten Kontakt. Und das ist eigentlich ja das Ziel. Also das heißt, wir wollen nicht überwinden, sondern wir wollen in einen Zustand kommen, wo wir gut mit der Trauer leben können. Ich würde nie einer Mutter, die ihr Kind verloren hat, sagen: „Da musst du drüber hinwegkommen und nach einem Jahr ist das alles wieder gut.“ Die Idee von diesem Trauerjahr, was wir haben in unserer Gesellschaft, wo ja viele Leute kommen und sagen, so jetzt ist das Jahr vorbei, jetzt muss es doch besser gehen und auch viele die Trauernde denken, jetzt wird es endlich besser, ist ja eigentlich eher aus so einem kulturellen, gesellschaftlichen Kontext entstanden. Solange hat man die Schwarz getragen oder die Trauerbinde, danach durfte man wieder heiraten und so weiter. Und nach einem Jahr ist es ja erstmal gar nicht gut, und man merkt jetzt bleibt es so und jetzt muss ich jedes mal durch diese schweren Tage durch durch Weihnachten, durch Geburtstage, durch den Todestag und so weiter und das kommt jetzt alles noch mal und meistens fällt man da erst mal noch mal ein Loch statt, dass es einem besser geht.
Ist es vielleicht auch das besondere an Demenz? Also es ist sowieso ja ein ganz langes Abschiednehmen irgendwie. Und dieser Glaube, wenn die Person dann stirbt, hätte man quasi dien Prozess schon durchgemacht. Ich habe das so empfunden, dass mit dem Tod der Abschied noch mal ganz, ganz intensiv wurde. Und dann auch dieses wirkliche Trauen, ehrlich gesagt, erst Monate später angefangen hat.
Ja, und das ist auf das Bittere, das Umfeld sagt dann, guck mal, ist sie endlich erlöst oder jetzt ist eher erlöst. Jetzt kannst du auch mal wieder aufatmen und man fühlt sich ja vielleicht ein Stück weit erleichtert, weil die letzte Zeit vielleicht ganz furchtbar war und furchtbar anstrengend war und ganz an die Substanz gegangen ist. Und dann hat man aber plötzlich Zeit, sich mit der Person so wie sie war, bevor sie krank wurde, auseinanderzusetzen. Und die Krankheit hat ja diese Person ganz oft verdrängt. Und ganz häufig ist das so bei Menschen, die zu mir kommen, die um jemand Trauern, der an Demenz gestorben ist, dass sie ganz verwundert sind, dass die Trauer wieder so stark ist, weil plötzlich der Mensch davor so präsent wird, so wie die Person vorher war, so viel lebendiger und die Zeit der Krankheitsnot so ein bisschen zusammen. Während man aber drin steckt, kostet ja sehr viel Kraft, Kraft, dass man sich da gar nicht auseinandersetzen kann und auch nicht will. Ganz häufig. Und das ist ja auch verständlich. Wenn ich in meinen Demenzgruppen frage, wie die Menschen vorher waren, bevor sie erkrankt wurden, dann fällt es den meisten Angehörigen schwer, darüber zu sprechen. Das geht dann in der Trauergruppe besser. In den Demenzgruppen bin ich mehr im Hier und Jetzt Und dann ist man sehr häufig bei dem, was nicht mehr geht oder was jetzt ist.
Ja, man ist halt im Alltag einfach verankerter und auch mit der Person quasi so, wie sie jetzt gerade ist. Und da stehen halt die Herausforderungen an, die da nun mal anstehen mit einer Demenz.
Ja, ganz genau. Und das ist auch nochmal ein Unterschied zu der Trauer, um jemand, der verstorben ist. Der erste Teil, in den ich geradet ist, funktionieren. Das ist irgendwann bei der Trauer um einen Menschen, der verstürbt, vorbei. Da komme ich nicht nochmal rein oder sehr viel seltener. Bei der pflegenden Angehörigen, gerade bei Trauer, wenn sich jemand eben auch so verändert, als Mensch verändert und so viel verschwindet im wahrsten Sinne, muss ich sehr häufig ins Funktionieren zurückgehen. Muss ich auch um überhaupt mich um alles kümmern zu können. Ich vielleicht ist es ganz hilfreich, wenn ich ein bisschen erzähle, was so die Phasen sind, die man durchmacht und wie der Unterschied ist bei der Demenz.
Ja, gerne erzähl mal.
Also man geht zu Prinzip in das Labyrinth rein und landet erst mal im Funktionieren. Und dann, das ist so der Moment, wo man sich in Watte gepackt fühlt oder wo man vielleicht auch das Gefühl hat, in Deutschland ist das ja so, man muss ich ja wirklich um ganz viel kümmern. Ich muss bei der Demenz, muss ich gucken, habe ich einen ordentlichen Neurologen, was ist denn der Stand der Studien, brauche ich Pflegeunterstützung, wenn jemand gestorben ist, muss ich mich um alles möglich von GEZ abmelden, Überversicherung bis hin zur Bestattung und so weiter kümmern. Und da ist auch noch mal ganz viel zu tun. In anderen Ländern macht man das manchmal etwas besser, da hat man etwas mehr Raum, um vielleicht Abschied zu nehmen. Und nach dem Funktionieren, und das, ich sage jetzt, das kommt danach, aber ich habe ja vorhin schon gesagt, das ist ein Labyrinth, also ich laufe immer mal wieder zwischen den Phasen durch, kommt das Begreifen.
Bei der Trauer, um einen Verstorbenen, ist das tatsächlich ganz wichtig, dass wir anfassen, also mit den Händen begreifen. Erst dann kann sozusagen die Seele es auch verstehen Und das Begreifen ist aber auch so dieser Moment bei der Demenz, wenn ich so das Gefühl habe, jetzt haut mir jemand gerade wieder mit deiner Stange in die Kniekehle oder zieht mit den Boden unter den Füßen weg, jetzt geht wieder etwas nicht. Und der Moment, wo ich merke, oh Gott, die Demenz hat wieder was gemacht. Und dieses Begreifen kann auch bei verstorbenen, wenn Trauer Jahre später kommen, Wenn mein Mann immer das Auto frei gekratzt hat, wenn es geschneit hat draußen und ich gehe nach draußen und muss es jetzt selber tun, weil er Demenz hat oder weil er verstorben ist, dann ist das so ein kleiner Begreifensmoment, der auch Jahre später noch kommen kann und der furchtbar wehtut und wo es mich vielleicht erschreckt, wie sehr mich das gerade umhaut.
Nach dem Begreifen kommt eine Phase und wie gesagt, bitte nicht verstehen, die Phase folgt auf die und die, sondern man kann sich auch zwischen zwei Phasen irgendwie ein Stück weit hin und her bewegen. Aber dann kommt in der Regel das Akzeptieren. Und das Akzeptieren heißt jetzt nicht, ich habe meinen Frieden mit etwas gemacht, sondern ich weiß, der andere hat Demenz. Den Moment, wo ich weiß, das ist die Krankheit, gehe ich anders damit um, als wenn ich nochmal so erschrocken bin. Dann blicke ich vielleicht auf die Zahnbürste im Badezimmer, anders als, wenn sie mich noch mal erschreckt, gehe ich anders ins Krankenzimmer, anders vorbereitet. Das heißt aber nicht, ich finde das gut und ich habe es akzeptiert.
Und nach dem Akzeptieren, das kommt, ist es sehr nah daran, ist die große Vielfalt der Gefühle. Und da ist wirklich alles drin. Ein großes Kuddelmuddel und manchmal auch ganz schwer zu sagen, was ist das eigentlich gerade? Und da ist sehr viel Schuld und Scham immer die Frage, habe ich genug gemacht? Habe ich mich genug gekümmert? Dann sind wir wütend auf den Erkrankten, dann sind wir wütend auf die Krankheit, auf die Lebensumstände, auf das Schicksal. Wir trauern ja auch um das, was wir gemeinsam vor hatten, um die Zukunftspläne.
Und wir vermissen jemanden, gerade bei der Demenz, obwohl er oder sie ja noch im Raum ist. Also eine Angehörige hat mal gesagt, ich vermisse meine Mutter so, denn diese Frau ist nicht mehr die Mutter, die ich kannte. Und diese Vielfalt der Gefühle, das ist ein wilder Wirbel. Und da kann natürlich auch Dankbarkeit und Freude drin sein, aber da ist auch vielleicht ganz viel Wut und Verzweiflung und auch ganz viel Trauer und Traurigkeit drin.
Dann gibt es eine Phase der Veränderung, die einsetzt, weil ich etwas anpasse, weil vielleicht meine Angehörige in eine Tagespflege kommt, weil vielleicht jemand etwas ändert, weil ich vielleicht beruflich Veränderungen hinnehmen möchte oder muss, um mehr da zu sein, weil eine neue Stufe der Erkrankung einsetzt und diese Veränderung macht ja auch wieder etwas. Es kann auch sein, dass ich umziehen muss oder dass ich Veränderungen, vielleicht auch im Freundeskreis, Menschen kommen nicht mehr mit Menschen, mit denen ich vorher wenig zu tun habe, die sind mir plötzlich viel näher, weil die ähnliche Verlusterfahrung haben Und andere, mit denen kann ich kaum noch reden, oder da habe ich das Gefühl, die setzen mich vielleicht unter Druck oder stellen Fragen, wann ist das endlich mal vorbei oder denkt doch mal an dich, so ein Satz. Und dann gibt es den Beziehungsort. Und das ist in der Trauer ein Ort, wo wir das Gefühl haben, wir sind gerade in guter Beziehung zu dem Verstorbenen, aber auch in guter Beziehung zu uns selbst. Und das Symbol dafür ist eigentlich der Schmetterling, der so auf der Hand landen kann, aber der auch wieder wegfliegen darf, den ich nicht festhalte und darüber kaputt mache, sondern den ich auch los schicken kann. Und ein guter Beziehungsort kann in der Demenzbetreuung sein, wenn ich das Gefühl habe, wir sind uns gerade ganz nah, wir haben so eine Herzensverbindung. Und das ist ja auch etwas, was sehr viel Kraft gibt. Ein guter Ort in der Trauer kann auch sein, dass ich nicht mehr das Gefühl habe, ich muss meiner verstorbenen Mutter alles recht machen. Das kann auch sein, dass ich ein bisschen mich in eine Distanz gehe. So, dass ich gut stehe, dass ich gut atme, dass ich vielleicht auch gerade gut da bin, Kraft schöpfen kann. Und dann geht alles wieder von vorne los. Und der Unterschied bei der Trauer, wenn ich jemanden mit Demenz betreue, ist, dass ich dann nicht wieder begreifen, akzeptieren, fühlen, Veränderungen und Beziehungsorten habe, sondern dass dann eben auch nochmal das Funktionieren dazwischen steckt. Und wenn man sich das so vorstellt wie ein rundes Labyrinth, dann bin ich eben, manchmal habe ich das Gefühl, ich bin ganz weit weg von meinem Ziel und sehe gar nicht, wie weit ich schon auf meinem Weg gegangen bin. Und wichtig ist eben, dass man auch zwischendurch guckt, wo stehe ich eigentlich gerade, wo sind vielleicht die anderen? Man läuft ja selten Hand in Hand mit dem Gesicht in die selbe Richtung dadurch, sondern hat zum Beispiel in der Familie Menschen, die ganz unterschiedlichen Stellen stehen und vielleicht auch ganz unterschiedliche Funktionen übernehmen. Und das ist auch nochmal ganz wichtig zu sehen, weil das ja auch, das ist ja auch bei der Trauer etwas, was für Familien sehr schmerzhaft ist, zu verstehen, jeder reagiert hier anders oder ist gerade an einer anderen Stelle.
Ja, ich würde ja gerne gleich hinschauen, davor aber vielleicht drüber sprechen, du hast über diesen, diesen Gefühlswirbel gesprochen oder dieses Wirrwarr und die vielen verschiedenen Gefühle, die aufkommen, also für mich quasi als pflegende Angehörige, aber die wirken sicher vermutlich auch auf das Miteinander aus, also mit der Person, mit mit Demenz. Was kann diese Trauer machen beziehungsweise wie komme ich als pflegender Angehörige gut damit klar was können wir gut auch gemeinsam machen?
Also ich glaube das Typische ist Wut und Scham. Die sind ja auch ein bisschen nah beieinander vielleicht noch mit einer Portion Verzweiflung /Hilflosigkeit und wenn ich diese Gefühle zeige oder wenn die sich so zeigen, dann verunsichere ich ja in der Regel den Angehörigen genauso wie mich selbst. Wir kommen dann irgendwie nicht weiter. Das heißt, wir sagen natürlich auch immer überlege genau, in welche Kämpfe du gehst und in welche vielleicht nicht, weil ansonsten holt man sich wirklich nur eine blutige Nase oder Rente gegen Wände, denn der Erkrankte oder die Erkrankte kann ja nichts mehr dann sind ja nicht mehr in der Lage, bestimmte Sachen zu begreifen oder eben auch zu klären. Also zum Beispiel, und das ist ja normal, in langjährigen Beziehungen, ob das nun Eltern-Kind-Beziehungen oder partnerschaftliche Beziehungen sind, wir schleppen ja auch Triggerpunkte oder Ärger oder Themen mit uns mit und es muss mir einfach klar sein, dass ich das vielleicht nicht mehr mit meinem Angehörigen klären kann, sondern nur noch mit mir selber und dass ich natürlich auch in der in der wenn ich in die Wut gehe und die ist ja total nachvollziehbar und total verständlich und total normal und eigentlich eine gute Reaktion Dann erreiche ich aber vielleicht nicht unbedingt das, was ich will, weil der Angehörige dann verstummt oder auch wütend wird Und eigentlich muss man sich freuen wenn wenn ein Angehöriger wütend ist weil das ja noch mal ein gutes Zeichen dass da jemand aufgekehrt. Aber ist es halt wirklich die Frage, bringt es uns gerade weiter und bringt es uns näher zueinander? Und das Ziel ist ja eigentlich, genauso wie in der Trauer um Verstorben, einen guten Beziehungsort zu schaffen und möglichst viele Beziehungsmomente, die uns Kraft geben.
Wie lässt sich das jetzt dann konkret machen? Also, wie kann man einen guten Weg gestalten? Du hast gesagt, man muss den selber gestalten, der kommt nicht von alleine.
Ja, ich finde, man muss ihn halt gehen, also das heißt, sich den Momenten, in denen man ist, sich mit denen auseinandersetzen, sich denen vielleicht auch stellen. Jeder dieser Phasen hat natürlich bestimmte Themen, die adressiert werden wollen. Ich glaube, das Einfachste ist andere Suchen, die ähnliches erfahren. Also, ich erlebe wirklich in meinen angehörigen Gruppen eine solche Erleichterung, wenn jemand erzählt von der Wut oder der Schuld oder der Hilflosigkeit und dass man am liebsten manchmal schreiend auf dem Balkon steht. Aber das kann man ja auch nicht machen, weil dann würden die Nachbarn sich erschrecken. Und es macht schon einen Unterschied, wenn da Menschen im Raum sind, die sagen, ja, genau das kenne ich auch. Oder dass man in der Gruppe unter Angehörigen seine Wut einfach mal zeigen kann, aussprechen darf, wie furchtbar frustrierend das ist. Am Anfang, als ich angefangen habe, habe ich immer gedacht, jetzt muss ich den Menschen noch was Schönes mit auf den Weg geben. Das müssen wir doch aus der Runde positiv rausgehen und können doch jetzt nicht diese.
Und?
Dann habe ich gelernt, dann habe ich das versucht und habe ich gesagt, jetzt kannst du doch nicht meine schöne Abschlussrunde. Es war doch gerade so nett, jetzt kommst du und sagst wieder, wie frustrierend alles ist. Und dann sagte der Angehörige, es war ein älterer Herr, ja und das tut so gut, das sagen zu dürfen. Und zu verstehen, dass es manchmal einfach nur gut tut, darüber sprechen zu können und sich die Kraft zu holen, indem ich es in einem Raum, wo ich das aussprechen darf. Denn die meisten Freunde, Bekannten oder Familienangehörigen wollen das nicht hören. Die können das vielleicht auch nicht hören. Aber in einem Raum von Menschen, die das auch erleben oder erlebt haben, dann ist das ein geschützter Raum. Da kann ich das aussprechen. Ich glaube, das ist schon mal total wichtig.
Und ansonsten kann man natürlich Methoden lernen. Wie komme ich aus der Wut raus? Wie gehe ich vielleicht aus dem Raum? Hol ich Luft? Wie komme ich aus Gedanken schleifen raus? Das sind alles Sachen, die man üben kann, die man natürlich dann in der Praxis auch einsetzen muss. Aber Ich glaube, das Wichtigste ist, darüber ins Gespräch zu gehen und das Gefühl zu haben, ich werde dafür nicht verurteilt. Und natürlich kann ich mir auch einen Coach suchen oder einen Therapeuten und da kann ich ganz viele wertvolle Impulse mitnehmen. Das ist ja auch viel was, was ich mache und trotzdem würde ich sagen, eine Ergänzung oder vielleicht noch wertvoller ist das Erlebnis mit anderen Betroffenen. Zu verstehen, ich bin nicht allein. Das, was ich fühle, ist normal. Das gehört dazu, dass darf sein. Wir nehmen
uns ja ganz oft zurück und sagen, ich darf jetzt nicht so wütend sein, ich muss mich doch zusammenreißen. Ich darf jetzt nicht so traurig sein, ich muss mich doch zusammenreißen. Und dann gucken, gibt es eine Möglichkeit, wo ich den Tennisballarm ein bisschen nach oben holen kann, ein bisschen dosiert, angeleitet, in einem sicheren Rahmen die Gefühle herauslassen kann, damit es dann nicht gegenüber den Angehörigen passiert. Oder weniger. Ja. Ich würde gern mit dir noch genauer hinschauen auf die Strategien, wie man eben mit den Gefühlen umgeht und komme auch sofort erstmal zu unserer Rubrik "Wissenswert".
Leben. Lieben. Pflegen. Wissenswert.
Da stelle ich in meine Studie oder eine Untersuchung vor. Heute geht es um des expressiven Schreiben. Das ist ein Paradigma von James Pennebaker, der erste Studien schon 1986 veröffentlicht hat. Es geht im Grunde genommen darum, nach belastenden Erfahrungen sich die Gefühle und Gedanken von der Seele zu schreiben. Es ist jetzt ganz vereinfacht gesagt. Und es gibt dazu auch etliche Studien, die eben schon zeigen, wie hilfreich das für eine Person ist, diese Bewältigungsstrategie zu nutzen. Anja, ist das auch was, was du Angehörigen von Menschen mit Demenz raten würdest?
Ja, also es gibt Trauerberater, die das sehr intensiv einsetzen, also wirklich so das Tagebuchschreiben empfehlen. Ich finde, das ist immer so ein bisschen eine Typ-Sache und häufig ist es bei Angehörigen von Menschen mit Demenz, so dass ihr sowieso schon so viel zu tun haben. Also die To-do-Liste ja so lange ist, dass ich da ungern noch etwas dazu verordne, wo sich dann jemand wieder schlecht fühlt, weil er oder sie es vielleicht auch nicht geschafft hat. Und das ist, glaube ich, auch etwas, wo man schauen muss, passt es zu jemandem? Also zum Beispiel drei Dinge am Abend aufzuschreiben, die gut waren.
Ich wollte gerade sagen, in der abgespeckten Version, weil das expressive Schreiben ist ja schon, 20 Minuten am Tag zu schreiben, ja, liegt halt nicht jedem und es ist Arbeit. Und Dein Rat wäre dann jetzt quasi so eine Art Dankbarkeitsjournal zu führen.
Ich glaube, mein Rat wäre zu gucken, was passt gerade zu der Person. Und für manche Leute ist das etwas ganz Wunderbares und ist auch hilfreich, den Fokus zu verschieben. Und für manche Leute würde das, glaube ich, noch viel stärker in die Verzweiflung bringen, weil sie sich so schwer tun würden, etwas Schönes zu finden. Aber was wir durchaus machen, ist in der Trauerarbeit genauso wie in arbeiten, Trauer bei Demenz, dass man ja einen Brief schreiben kann an die Person, um die man trauert. Oder so leiten wir auch Kinder und Jugendliche an, dass man sagt jetzt, dass man nicht das Gefühl hat, ich muss das alles, was ich sagen wollte, in diesen einen Brief schreiben, so dass man vielleicht dann drei Kreuze macht, so wie diese kleine Küsschen und sagt, und da drin steckt alles das, was ich dir noch sagen will und wollte, aber was mir gerade nicht einfällt. Denn manchmal kriegt so ein Brief, gerade wenn jemand verstorben ist, so ein Gewicht, dass man halt sagt, das habe ich alles vergessen oder das ist jetzt anders oder ich müsste eigentlich nochmal schreiben und deshalb ist das glaube ich ganz schön so etwas Offenes damit reinzugeben, das kann man über diese Kreuzchen machen. Was wir auch machen, natürlich wir arbeiten mit Haikus oder Elfchen, dass man also zum Beispiel sich in künstlerischer Form auseinandersetzt mit den Gefühlen. Das kann man auch sehr so ein Haiku passt gerade sehr schön aus so eine kleine weiße Friedhofskerze. Das kann man also da auch schön drauf schreiben und mitgeben oder mitbringen.
Etwas, was ich sehr gerne mache, sind Wunschsterne. Das ist auf so ein bisschen dickerem Papier ein Stern ausschneiden Und in die Mitte des Sterns oder auf die Sternenstrahlen kann man dann einen Wunsch schreiben und dann faltet man das so zusammen und wenn man das dann in eine Schale mit Wasser legt, dann öffnet sich dieser Stern langsam und dann ist das so, als würde der Wunsch dann nach oben schweben und das ist auch nochmal ein sehr schöner, inniger und sehr berührender Moment. Und gerade, wenn Menschen nicht mehr sprechen können, ist das vielleicht eine ganz berührende Geste, jemandem so einen Wunschstern zu schicken und das vielleicht mit etwas Musik abspielen zu lassen. Also kurz gesagt, ich glaube, es braucht nicht noch mehr To-dos, aber man kann schauen, wenn jemand davon profitiert und dann eben eher schauen, was passt gerade, was passt gerade gut und wie kann ich vielleicht auch meine Gefühle gerade gut ausdrücken. Und das geht natürlich über Schreiben ganz gut.
Genau, die Studie beziehungsweise. Links zum expressiven Schreiben verlinke ich noch in den Shownotes. Da könnt ihr euch weiter einlesen, wenn euch das Thema interessiert.
https://www.researchgate.net/publication/247701209_Expressives_Schreiben_als_Copingtechnik_Ein_Uberblick_uber_den_Stand_der_Forschung
https://schreibstudio.at/wp-content/uploads/2019/10/Schreiben-bei-Trauer-1.pdf
Ja, Trauern beziehungsweise der Umgang mit Trauer ist ganz individuell, höre ich bei dir raus. Was mich noch interessieren würde. Du hast es von auch schon angedeutet. Es ist ein Labyrinth und Phasen kommen immer wieder und auch diese sehr traurigen Momente oder vielleicht auch sehr wütendem Momente kommen ja auch manchmal in Situationen, in denen es gar nicht so angenehm ist oder nicht so passend. Hast du da einen Tipp oder eine Anregung, wie man dann damit umgehen kann?
Du meinst jetzt also, zum Beispiel, wenn ich so das Gefühl habe, ich werde gerade so reingesogen, also ich versinke oder meine Gedanken kreisen etwas ja genau also ich arbeite sehr viel mit Methoden von Act das ist eine verhaltenstherapeutische Methode aus der Psychotherapie und wir üben im Prinzip gemeinsam so Anker zu setzen das ist auch ganz häufig ja so dass man Angst hat sich der Trauer zu stellen weil man Angst hat ich zerfließe ich sehr fließe in einem Tränen mehr und so zu erfahren, das kann man Schritt für Schritt üben, dass es sich irgendwann ausgeweint hat und dass es vielleicht ganz gut ist, wenn man sich einmal ausweinen darf und dass das auch meistens gar nicht tagelang dauert, sondern nach einer gewissen Zeit vorbei ist und dass es sehr schön sein kann, wenn man diesen Raum hat. Das ist etwas ganz Besonderes.
Und ansonsten gibt es eine sehr schöne Technik, die relativ schnell funktioniert. Ich sage immer, mein Angehörigen zuerst einmal atmen. Das kann ich auch machen, ohne dass es andere mitkriegen. Am besten ledig die Hände unten auf den Bauch und atme ganz tief in den Bauch. Und ich kann auch so atmen, dass ich versuche, länger auszuatmen, als einzuatmen. Das ist etwas, was sofort beruhigend wirkt. Und dann sollte man sich im Raum umschauen und gucken, kann ich fünf verschiedene Dinge sehen. Wenn es ein voller Raum ist, kann ich das auch ein bisschen schwieriger machen, sagen, sehe ich fünf Dinge, die schön sind. Und dann kommt die nächste Sinnesebene, das Hören, kann ich drei Dinge hören. Und kann ich vielleicht zwei Dinge riechen. Dadurch, dass ich mich auf diese Punkte fokussiere, also atmen, am besten Füße auf den Boden stellen, sich also gut erden oder verankern und dann im Raum umschauen. Fünf Dinge sehen, drei Dinge hören, zwei Dinge riechen. In dem Moment komme ich ein Stück weit aus der Verankerung, aus der Verschmelzung mit dem Gedanken heraus und verstehe wieder, dass ich ja, ich bin nicht meine Gedanken. Das ist vielleicht nochmal ganz wichtig. Und ich bin auch nicht meine Gefühle und ich kann auch da wieder heraus, wir nennen die Technik dann Ankerwerfen im Sturm, also dass ich nicht das Gefühl habe, ich bin so hin und her geworfen.
Ich würde gerne mit dir auch noch einmal kurz die Perspektive wechseln, als quasi Außenstehende. Ich habe ich das Gefühl, es fällt vielen schwer, mit der Situation umzugehen oder etwas Gutes zu sagen zu Angehörigen von Menschen mit Demenz, die eben gerade in der schweren Phase sind, die vielleicht auch Trauer haben, was kannst du denen mit an die Hand geben?
Also das ist tatsächlich etwas, was alle Menschen, die in Trauer sind, berichten, dass wir offensichtlich als Gesellschaft verlernt haben, gut aufeinander acht zu geben und auch ein Stück weit verlernt haben, gut mit Trauer umzugehen. In der Regel ist das so und das erleben Trauerende egal, ob sie nun der entrechteten Trauer oder in der klassischen normalen Trauer, meinen Verstorbenen sind. In der Regel zieht sich ja das Umfeld zurück und das wird häufig als sehr verletzend empfunden. Wir ziehen uns in Deutschland zurück und sagen: „Naja, lassen wir die erst mal in Ruhe.“ Ganz häufig wird die Straßenseite gewechselt. Man hat so ein bisschen Angst, oh, wenn ich den jetzt anspreche, wird der vielleicht ganz furchtbar traurig. Die Person ist ja sowieso schon traurig und manchmal ist das viel schlimmer, wenn man nicht angesprochen wird. Weil man so das Gefühl hat, man wird so, man ist so so aussätzig oder es werden noch Erwartungen an mich gestellt. Wie du gerade gesagt hast, nach einem Jahr muss doch jetzt mal wieder gut sein mit der Trauer. Und wenn ich selber pflegende Angehörige bin, dann bin ich ja so überlastet, dass es mir sehr schwer fällt auch vielleicht klar zu äußern, was mir gerade gut täte oder was ich mir wünsche. Das geht ja oft gar nicht mehr, genauso wenig wie eine Trauernde das kann. Also wir meinen das dann immer ganz gut, wenn wir sagen melde ich jederzeit, aber dazu bin ich gar nicht in der Lage. In der Regel ist das schon überfordernd.
Und manche Trauerende sagen auch dieses melde ich, doch es können sie gar nicht mehr ertragen, das zu hören, weil es so klingt wie ich wasche meinen Gewissen rein und ich habe sehr angeboten und du hast es ja noch nicht angenommen. Ist aber ganz oft nicht so. Ich glaube, das Umfeld ist ganz häufig selber total hilflos und überfordert. Und kann, wenn sie das nicht selber erlebt haben, das auch gar nicht nachempfinden. Auch die Überforderung der Trauer nicht nachempfinden oder der Überforderung durch die Demenz. Und bei der Demenz Das ist ja noch mal spezieller, weil wir als Gesellschaft gar keine Ahnung von dieser Krankheit haben. Das wird ja total abgetan als ein bisschen Vergesslichkeit und die Schwere und die Bedeutung, was diese Krankheit beinhaltet. Das ist ja, da haben wir noch viel Arbeit vor uns, viel Aufklärungsarbeit. Also deshalb wäre mein Rat, Nachhaken dranbleiben, anbieten und zwar immer wieder. Es kann sein, dass ich jemanden in einem falschen Zeitpunkt erwische und dann dafür auch Verständnis haben, wenn derjenige gesagt, oh, ich kann gerade gar nicht reden oder ich möchte gerade gar nicht. Und es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, meine Hilfe anzubieten. Ich könnte anbieten, einkaufen zu gehen. Ich kann anbieten, mit jemandem einen Spaziergang zu machen. Man muss gar nicht daneben sitzen und ins Gespräch gehen. Ich muss also gar nicht das Gefühl haben, oh, jetzt muss ich über die Situation sprechen und ich kann auch einfach Lasagne vorbeibringen. Ich glaube manchmal ist es viel schöner wenn ich immer wieder Angebote mache und auch sage du ich weiß es geht dir gerade schlecht wenn du magst lass uns doch das und das machen und immer wieder da zu sein und verschiedene Angebote zu machen ich glaube das wäre das hilfreichste was man machen kann. Und nicht die Straßenseite wechseln, sondern eher drauf zugehen, weil traurig und belastet ist derjenige ja sowieso schon. Wenn man dann das Gefühl hat, man darf das noch nicht mal zeigen oder das Umfeld möchte darauf gar nicht mehr eingehen, dann ist das eine ganz furchtbare Erfahrung. Und dann macht das das nur noch bitterer.
Ja, also letztendlich sind wir alle soziale Wesen und das vergessen wir immer so, finde ich, in unserem Individualismus und Streben von "jeder kann alles selber machen", aber gerade eben dann in dieser Phase ist es ja total wichtig zu wissen, da sind Menschen da und ich glaube, die müssen auch gar nicht immer alles mit einem durchreflektieren. Genau.
Aber einfach zu wissen, da ist jemand und zur Not erzählt mir einfach irgendwas von seinem Tag, Ja, hat mir jetzt immer geholfen.
Da ist jemand, der sieht mich, da ist jemand, der sieht mich und der weiß, dass es mir vielleicht gerade nicht gut geht. Und der ist vielleicht auch, also wir sind da ja auch hilflos und wir werden nicht immer alles richtig machen, aber ich finde es immer besser, man versucht etwas, als dass man gar nichts versucht. Und im Zweifelsfall kann man ja nachfragen oder sagen, ich finde es ist immer besser weißt du, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll oder ich weiß gar nicht, wie ich dir helfen kann, das und das fällt mir ein, wäre das vielleicht was, als gar nichts zu sagen. Oder ich bin so betroffen, mir fehlen die Worte. Und manchmal reicht es ja auch einfach jemanden, den Abend zu nehmen.
Ja, vielen Dank, liebe Anja, dass wir heute uns mal diesen Thema Trauern bei Demenz gewidmet haben und du mir so viel erzählt hast und auch ganz viele praktische Ratschläge gegeben hast, wie man diesen Weg gut gehen kann. Ich nehme für mich mit und hoffe, unsere Zuhörer und Zuhörerinnen auch, dass es nicht nur okay ist zu trauen, sondern eigentlich auch total wichtig und eben wichtig ist, diesen vielen verschiedenen Gefühlen einen Raum zu ermöglichen. Und ich nehme auch mit, die Trauer ist nicht einfach irgendwann vorbei. Also die verändert sich, so wie man sich ja auch verändert. Und was du relativ am Anfang gesagt hast, aber was mich sehr berührt hat, Trauern bedeutet ja, jemanden zu lieben. Möchtest du noch etwas ergänzen, noch etwas mitgeben, was dir wichtig ist?
Ich glaube, das ist schon vielleicht die wichtigste Botschaft und das ist ein sehr schönes Zitat, was von Chris Paul kommt: „Trauer ist nicht das Problem, sie ist die Lösung.“ Und ein weiteres von Mechthild Schröter Rupieper, die gesagt hat: „Trauern ist Liebe.“ Und wenn wir uns der Trauer nicht stellen, dann lassen wir auch die Liebe im Prinzip nicht zu. Und ich glaube, es gibt genug Studien, die zeigen, dass das auf Dauer nicht gesund ist. Aber mir geht es gar nicht darum, dass es nicht gesund ist, sondern ich glaube, dass es etwas sehr Wertvolles ist. Es ist gut, wenn man den Weg geht und es ist gut, wenn man diesen Weg nicht alleine gehen muss. Vielleicht ist das nochmal das Wichtigste und da können wir als Gesellschaft gut und deutlich besser aufeinander acht geben und da müssen wir, glaube ich, keine Angst haben, dass man jemandem in die Trauer stößt oder besonders traurig macht, sondern lieber einmal mehr auf jemanden zugehen, sich anbieten, egal mit was, als verstummen.
Ja, danke dir.
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Zum Abschluss der Folge habe ich noch ein paar Neuigkeiten von Desideria für euch. Desideria ist ein Verein, der sich für Angehörige von Menschen mit Demenz einsetzt und das mit verschiedenen Angeboten tut. Zu einem dieser Angebote gehören die Angehörigenseminare so, wie Anja sie auch leitet. Das sind zehn Termine jeweils zwei Stunden lang, in dem es eben um unterschiedliche Themen rund um Demenz geht. Die Seminare werden alle von erfahrenen Therapeuten und Therapeutinnen angeleitet und orientieren sich am Konzept von "Edukation Demenz".
Das Angebot ist für Teilnehmende aus Deutschland kostenfrei. Alle Infos und die Links findet ihr in den Shownotes.
Das war „Leben. Lieben. Pflegen. Der Desideria-Podcast zu Demenz und Familie" heute
mit meinem Gast Anja Schmidt-Ott. Liebe Anja, vielen Dank, dass du da warst.
Danke!
Redaktion: Peggy Elfmann
Produktion Till Wollenweber.
„Leben.Lieben. Pflegen“ ist ein Angebot von Desideria. Empfehlt diesen Podcast gerne weiter. Alle Folgen und Informationen findet ihr in den Shownotes und auf Instagram unter desideria .ev.